Dolmetschstudium und Berufsalltag

Oft erreichen mich über E-Mails oder soziale Netzwerke Nachrichten von Personen, die auch gerne Übersetzen und/oder Dolmetschen studieren und zu ihrem Beruf machen würden. Daher habe ich die häufigsten Fragen diesbezüglich in der letzten Zeit gesammelt und möchte sie hier nun beantworten:

 

Wie lief die Eignungsprüfung ab und was wurde dabei gefragt?

An der Uni Leipzig, wo ich meinen Master absolviert habe, besteht die Eignungsprüfung aus einem Übersetzungs- und einem Dolmetschteil. In ersterem wird eine Übersetzung angefertigt und Sprachkenntnisse geprüft, in letzterem – welcher einen bis ein paar Tage nach bestandener Übersetzungsprüfung stattfindet – wird festgestellt, wie gut die mündlichen Sprachkenntnisse, das Allgemeinwissen und die Stressresistenz der Person sind. Weniger muss man bereits vorhandene Dolmetschfähigkeiten unter Beweis stellen (denn diese werden schließlich im Studium erlernt und geübt), allerdings wird geprüft, ob man generell dafür geeignet ist. In Leipzig gibt es dazu ein Gespräch mit den beiden Dozierenden für die betreffende Sprache, wobei man mit der einen Person auf Deutsch und mit der anderen in der Fremdsprache sprechen soll. Oft werden unerwartete Zwischenfragen gestellt (z. B. zur politischen und wirtschaftlichen Lage), um zu sehen, wie gut man über aktuelle Geschehnisse informiert ist. Einen Kabinentest gibt es in Leipzig nicht, jedoch besteht ein Teil der Eignungsprüfung aus der bilateralen Verdolmetschung eines Gesprächs.

 

Wie sieht der Arbeitsalltag beim Dolmetschen und Übersetzen aus?

Jeder Tag ist unterschiedlich, manchmal dolmetsche ich vor Ort (Konferenzen, Gerichtsverhandlungen, Vernehmungen, Behördentermine), manchmal von zu Hause aus (Videokonferenzen), manchmal übersetze ich Dokumente im Homeoffice oder bereite die nächsten Aufträge vor.

 

Was ist das Für und Wider in diesem Beruf?

Der Beruf ist sehr abwechslungsreich (siehe oben), man lernt dabei Vieles zu den verschiedensten Themengebieten und hat viel mit unterschiedlichen Menschen zu tun. Dadurch kommt nie eine Routine auf, wie es bei einem festen Angestelltenverhältnis der Fall wäre. Als selbstständige Person ist man für das meiste selbst verantwortlich, und zwar nicht nur für die Ausführung der Tätigkeit an sich, sondern auch das Organisatorische dahinter. Daher hat man jedoch eine große Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit, z. B. was die Spezialisierung auf Fachgebiete, die Annahme von Aufträgen und die zeitliche Planung angeht.

 

Verstoße ich in meinem Beruf manchmal gegen meine eigenen moralischen Vorstellungen?

Nein, ich bin als Sprachmittlerin neutral und lasse meine eigene Meinung nicht in Verdolmetschungen und Übersetzungen mit einfließen. Um dies noch klarer zu machen, kann ggf. hinzugefügt werden: „Die Person sagt: …“ (Ansonsten wird normalerweise in der ersten Person gedolmetscht.) Aufträge für Personen und Organisationen, die gänzlich meinen eigenen Vorstellungen widersprechen, würde ich nicht annehmen.

 

Welche Sprachkombination ist für Freelancer empfehlenswert?

Ich arbeite als Freiberuflerin mit der Kombi ABB, also A: Deutsch, B: Englisch, B: Spanisch. Das bedeutet, dass ich sowohl aus beiden Fremdsprachen in meine Muttersprache dolmetsche als auch aus der Muttersprache in beide Fremdsprachen. Für alle Richtungen gibt es Bedarf und ich arbeite in einem ausgewogenen Verhältnis in allen Kombinationen. Bei den Institutionen der EU wird hingegen aus mehreren C-Sprachen ausschließlich in die A-Sprache gedolmetscht.

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